Von Zeiten und Hunden

Paula und Hilde trauern, das ist deutlich. Paula und Hilde sind Siegerts Hunde. Sie sind im Haus geblieben und werden von denen, die jetzt in der Wohnung zu Gast sind, versorgt. Am Anfang waren sie gut drauf, kannten es wohl, dass Frauchen und Herrchen mal eine Weile weg sind. Dann wurden sie immer apathischer. Hilde kam in den ersten Wochen immer schwanzwedelnd und vor Freude jaulend auf mich zu, wenn ich aufs Gelände kam. Dann wurde sie immer zurückhaltender. Letzte Woche war es so weit, dass sie nur noch von ferne guckte und sich dann hinters Haus zurückzog, als wollte sie sagen: Ich warte auf mein Herrchen – und du bist das nicht…

Wie kann man ihnen erklären, dass Frauchen und Herrchen bald wiederkommen? Das kann man wohl gar nicht.

Aber auch die menschliche Seele geht ja mit der Zeit eigenartig um. Am Anfang läuft die Zeit langsamer und gegen Ende immer schneller. Das hat Thomas Mann im „Zauberberg“ so schön beschrieben, wo Hans Castorp sieben Jahre in einer Kurklinik verbringt. Ich habe jetzt noch drei Wochen – eigentlich viel, wenn man einen dreiwöchigen Urlaub vor sich hat. Am Ende einer dreimonatigen Zeit ist es wie nichts… Dabei steht noch einiges an! Die Kinder aus Tschernobyl sind da! Am Samstag ist Flohmarkt zu ihren Gunsten, am Sonntag Gottesdienst mit ihnen zusammen. Und nächsten Donnerstag beginnt die Reriker Orgelakademie. Also noch was los hier! Schön, dass ich noch ein bisschen Zeit habe. Aber die Seele, das merke ich, beginnt langsam ihre Heimreise…

Wenn nichts mehr ist…

… was ist dann unser Auftrag?

Gestern Abend beim Konzert war Betroffenheit, als die Biendorfer und Russower hörten, dass am Nachmittag nur eine alte Dame zum Gottesdienst erschienen war. Es war ihnen mir gegenüber unangenehm (was nicht nötig wäre) und sie sagten: Vor einiger Zeit gab es bei uns noch eine stabile Gottesdienstgemeinde. Inzwischen ist das gemeindliche Leben zum Erliegen gekommen. Wir müssen einen Neustart machen… wurde gesagt.

Ich kann das verstehen, bin aber nicht so sicher, was richtig ist in so einer Situation. Wenn nichts mehr ist, was dann unser Auftrag? Sollte man nicht einfach ernst nehmen, dass kein Bedarf nach gemeindlicher Gemeinschaft mehr da ist? Warum muss man diesen Bedarf künstlich wecken? Oder ist das Mission? Wo verläuft die Grenze zwischen Verkündigung und dem künstlichen Festhalten an Bildern kirchlichen Lebens, die man meint füllen zu müssen, die aber vielleicht nicht mehr passen? Also, Kirche dicht machen, die Kräfte woanders einsetzen?

Oder noch anders: Warum nicht einfach weiter zu dritt oder meinetwegen auch als Pastor alleine Gottesdienst feiern? Sozusagen, damit das Herdfeuer im Dorf nicht ausgeht. Die Glocken läuten, der Pastor feiert Gottesdienst – satis est, das ist genug.

Oder doch „neue Lebendigkeit“ schaffen?

Wenn nichts mehr ist, was ist dann unser Auftrag?

Ein Tag, drei Kirchen

Heute sind alle drei Kirchen in Aktion: Um 10.00 Uhr war Gottesdienst in Rerik, proppenvoll dank der Feriengäste.

Um 14.00 Uhr war Gottesdienst in Biendorf: Organistin + Ehemann, 1 alte Dame und ich. Aber sehr schön und entspannt. Ich bot an, nur eine kleine Andacht ohne Predigt zu feiern, aber das wurde nicht akzeptiert!

Um 20.00 Uhr werden wir ein Konzert in Russow haben. Die Konzerte dort sind in der Regel recht gut besucht. Die Orgel aus dem Jahre 1700 ist eine Rarität aus der Barockzeit. Heute Abend wird der Organist der Erlöserkirche aus Jerusalem dort spielen.

Im Seitenmenü ist meine Predigt über 1. Petrus 2 zu finden.

Auflösung

Mich erreichten mehrere spontane Antworten – natürlich alle richtig! Geöffnet, bis der Fisch alle ist.

Interessant ist der Hintergrund: Diese Gaststätte verarbeitet ausschließlich den Fisch eines örtlichen Fischers vom selben Tage. Da kann die Menge sehr schwanken, viel ist es aber nie. Bereits ab 19.00 Uhr ist – laut Auskunft des Wirtes – nur noch „Reste-Essen“ angesagt, dann ist alles weg.

Ein ganz anderes Wirtschaften und Denken als die uns gewohnte Kultur, dass immer alles ausreichend zur Verfügung steht. Hier gibt das Meer den Rhythmus vor.

Ein Rätsel

Lange haben wir uns gefragt, wie dieses Schild zu deuten ist.

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Heute haben wir hier gegessen

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und gefragt. Wer weiß die Auflösung?

Erfolgt mit der nächsten Eintragung!

 

 

 

 

Waldmenschen

Heute hatte ich Frau Z. in Büxow, Ausbau 5 zum 84. Geburtstag zu besuchen.* Ich wusste, dass es in Büxow an beiden Seiten des Dorfes ein Schild mit der Aufschrift „Ausbau“ gibt (so heißen hier Dorferweiterungen). Ich probierte es zunächst bei dem Gehöft, ca. 500m vor dem Dorf. Ein großes Tor, ein bellender schwarzer Hund dahinter, ein Briefkasten ohne Namen, keine Klingel, keine Hausnummer.

Was tun? Wie gut, dass es Internet gibt! Also suche ich über mein iPhone unter telefonbuch.de – und tatsächlich, Name und Adresse waren dort mit einer Telefonnummer zu finden. Eine freundliche Dame meldet sich, ich stelle mich vor, sie sagt: „Klingeln haben wir hier nicht, die gehen immer kaputt. Ich komme raus!“ Nach einigen Minuten stehe ich immer noch dort und nichts tut sich. Ich rufe erneut an. Sie sucht schon nach mir, aber offenbar stehe ich vor dem falschen Haus. Sie beschreibt mir den Weg, also doch der „Ausbau“ am anderen Ende des Dorfes.

Ich fahre dort auf das einzige sichtbare Gehöft. Alles still. Ich rufe, nichts tut sich. Ich rufe wieder an und beschreibe meinen Standort. „Dann sind Sie zu weit gefahren! Sie müssen zurück und in der Senke bei dem Bach links in den Waldweg einbiegen.“ Gesagt, getan, kein Hinweis auf ein Haus, aber am Ende dann doch, Frau Z. erwartet mich und ein großer schwarzer Hund springt ums Auto. Ich lasse das Fenster runter und rufe: „Kann ich aussteigen oder tut der was?“ Sie: „Mal so, mal so!“ Mmhh, also warte ich, bis sie den Hund in den Stall gesperrt hat.

Ich überreiche meine Blumen, gratuliere ihr und flachse: „Das ist ja wirklich nicht einfach, Sie zu finden!“ Sie (lachend): „Die Russen haben uns immer gefunden!“ Vor meinem inneren Auge läuft ein Film ab…

Sie bittet mich in ihre Schlaf-/Wohnstube. Dann erzählt sie aus ihrem Leben, von Flucht und Vertreibung, von Arbeit und Familie. Irgendwann zwischendurch sagt sie: „Wenn man reden kann, wird man ein anderer Mensch.“

Wir verabschieden uns fröhlich.

Mein Freund Georg, Pastor der Kirche am La Plata, war Ende der 80er in Paraguay tätig. Als ich ihn besuchte, nahm er mich auf seine Touren mit, und manchmal sagte er: „Heute besuchen wir unsere Waldmenschen.“ Daran muss ich denken.

 

*Die echten Namen und Daten sind dem Verfasser bekannt.

Immer wieder: Kirchen

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Gestern besuchte ich mit Freunden aus Hamburg die Kirche in Biendorf. Im Vorraum sahen wir Fotos von den Renovierungsarbeiten, die seit 2002 stattgefunden haben. Zuvor war die Kirche nur noch eine Ruine. Jetzt ist sie ein kleines Schmuckstück. Ein Förderverein hat Teile der Renovierungskosten aufgebracht, viele Menschen aus dem Dorf haben selber mit Hand angelegt.

Und nun? Einmal im Monat Gottesdienst mit 2 Leuten. Wie ist dieser Widerspruch zu erklären? Oder ist es gar kein Widerspruch? Vielleicht stimmen nur die inneren Bilder nicht, die die Erwartungen produzieren. Könnte man es nicht auch so sehen: Die Kirche steht da – und das genügt. Sie predigt als Gebäude. Sie markiert in der Landschaft, dass es Orte gibt, wo Himmel und Erde sich berühren. Es wäre entlastend, es so sehen zu können, finde ich.

Und die Kanzel wird Heiligabend benutzt.

 

 

Mecklenburger Standkörbe

Anders als mit den „Mecklenburger Adressen“ verhält es sich mit den Strandkörben. Jeden Abend werden sie so aufgestellt:

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Sogar in der Reihenfolge der Nummern:

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Und anstelle der 13 gibt es den Strandkorb 101…, Verwechslung ausgeschlossen!

Im Seitenmenü ist die Predigt von heute über 2. Thessalonicher 3, 1-5 zu lesen.

Faust und Wagner

Irgendwie fiel mir eben noch dies ein:

Faust.

Sieh nur sieh! wie behend sich die Menge

Durch die Gärten und Felder zerschlägt,

Wie der Fluß, in Breit’ und Länge,
So manchen lustigen Nachen bewegt,
Und, bis zum Sinken überladen
Entfernt sich dieser letzte Kahn.

Selbst von des Berges fernen Pfaden

Blinken uns farbige Kleider an.
Ich höre schon des Dorfs Getümmel,

Hier ist des Volkes wahrer Himmel,

Zufrieden jauchzet groß und klein:

Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s seyn.

Wagner.
Mit euch, Herr Doctor, zu spazieren
Ist ehrenvoll und ist Gewinn;
Doch würd’ ich nicht allein mich her verlieren,
Weil ich ein Feind von allem Rohen bin.

Das Fiedeln, Schreien, Kegelschieben,
Ist mir ein gar verhaßter Klang;
Sie toben wie vom bösen Geist getrieben
Und nennen’s Freude, nennen’s Gesang.

Das Dumme ist nur, dass ich nicht ganz sicher bin, auf welcher Seite ich mich wiederfinde….

Hafffest und Milieus

Die Kirche erreicht nur bestimmte Milieus, vorzugsweise aus dem konservativ-bildungsbürgerlichen und dem politisch engagierten Bereich. Das war eine der Erkenntnisse aus der IV. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung der EKD im Jahre 2003. Diese Wirklichkeit holt uns auch hier ein.

Rerik füllt sich zur Hochsaison. Immer mehr junge Familien reisen an. Und – wie soll ich sagen? – es sind doch eher einfache Menschen, die nun kommen. Dem entspricht, dass Rerik an diesem Wochenende sein jährliches „Hafffest“ feiert mit Disco, Shanty-Chören und vor allem Lärm, Karussells, Bier- und Würstchenbuden.

Gleichzeitig hatten wir in der Kirche gestern Abend ein sehr gut besuchtes Konzert mit Barockmusik, dessen Publikum am Schluss aus dem Stand einen vierstimmigen Satz zu „Nun ruhen alle Wälder“ mitsang.

Dass mir die eine Kultur näher liegt als die andere, ist zunächst eine persönliche Angelegenheit. Dass wir uns als evangelische Kirche ganz dem einen Milieu verschrieben haben und mit anderen wenig anfangen können, ist eine andere. Vor allem bleibt die irgendwie doch schmerzliche Frage:  Warum gelingt es uns nicht, die Botschaft so rüberzubringen, dass sie auch bei den einfachen jungen Familien ankommt? Ohne, dass wir uns verbiegen?